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Begriff Affekt

Affekt

  • Version 1.0
  • Veröffentlicht 24. Juli 2023

Zum Wort

Das Wort Affekt entsteht aus dem griechischen páthos (πάθος) für Leiden, Leidenschaft. Die Übersetzung ins Lateinische mit affectus erweitert die Bedeutung zu Gemütsbewegung, Leidenschaft, Verfassung, Zustand. Die vorrangige Verwendung in der Verbform afficere macht aus dem ab dem 16. Jahrhundert im Deutschen verwendeten Affekt eine Gefühlsregung, die angeregt oder ausgelöst wird.

Diskurse und Kontexte

1. Der Diskurs von Spinoza

Im spinozistischen Diskurs wird der Begriff Affekt im Sinne der von SPINOZA in der Ethik definierten Grundaffekte Verlangen, Freude und Traurigkeit, verwendet. Unter Affekt versteht SPINOZA „die Erregungen des Körpers, durch welche das Tätigkeitsvermögen des Körpers vergrößert oder verringert, gefördert oder gehemmt wird; zugleich auch die Ideen dieser Erregungen“ (Ethik III, def. 3, 96). Der Begriff ist daher ein Grenzbegriff, weder allein eine körperliche Regung noch auf eine bloße geistige Interpretation körperlicher Zustände beschränkt. Mit dem Begriff des Affekts bestreitet Spinoza daher die Trennung zwischen Körper und Geist. 

Quelle
  • SPINOZA, Baruch de. Ethik. Übersetzt von Stern

2. Der juristische Diskurs

Im juristischen Diskurs, vorrangig im Strafrecht, wird Affekt als ein Zustand begriffen, in dem für eine begangene Tat (Affekttat) durch eine Vorgeschichte und eine spezifische Beziehung zwischen Täter*in und Opfer eine verminderte Fähigkeit zur Impulskontrolle und damit eine verminderte Schuldfähigkeit (§21 StGB) begründet werden kann. Relevant für die Anerkennung der verminderten Schuldfähigkeit ist eine belegbare, die Persönlichkeit der Täter*in beeinflussende Dimension der auslösenden Situation und Beziehung.  „Das Wesen des Affektdeliktes besteht in der Finalität einer tief erschütterten Selbstdefinition des Täters“ (MARNEROS, 1284).

Quelle
  • MARNEROS, Andreas. „Zur Abgrenzung von Affekttaten und Impulstaten“. Nervenarzt 78 (11) (2007), 1283–1289.

3. Der Diskurs der Freudschen Psychoanalyse

Im Diskurs der freudschen Psychoanalyse ist der Affekt die „qualitative Äußerungsform der Quantität an Triebenergie und ihrer Variationen“ (LAPLANCHE/PONTALIS 1972, 37). In dieser Vorstellung sind es wesentlich äußere Reize und Ereignisse, die auf subjektiver Ebene eine Triebreaktion hervorrufen und sich als Affekt zeigen. Hierbei handelt es sich also um ein qualitativen Affektbegriff. Davon unterschieden ist ein quantitativer, der Affektbetrag:  Ist nämlich die Reaktion verhindert oder gehemmt, bleibt eine Triebenergie zurück, die als Affektbetrag bestehen bleibt. Während die Ursache, also zum Beispiel ein auslösendes Ereignis, verdrängt werden kann, bleibt der Affekt quantitativ als dieser „Affektbetrag“ (FREUD 1975, 113) bestehen. Der therapeutische Einsatz der Psychoanalyse ist daher, die Triebursache zugänglich zu machen und eine Treibabfuhr zu ermöglichen.

Quellen
  • FREUD, Sigmund. Die Verdrängung. In Ders. Studienausgabe. Band III. Frankfurt/Main 1975, S. 105-118.
  • LAPLANCHE, Jean und PONTALIS, Jean-Bertrand. „Affekt“ In: Dies. Das Vokabular der Psychoanalyse. Frankfurt/Main 1972, S. 37-38.

4. Der Diskurs des Sonderforschungbereichs „Affective Societies“

Der Diskurs des Sonderforschungsbereich Affective Societies versteht unter Affekt das Ergebnis eines relationalen Geschehens. Affekte finden eher zwischen Akteuren statt, als in ihnen. Affekte bemessen sich in erster Linie an ihrer Intensität, nicht an ihrer Gerichtetheit, Wertung oder Artikulation, bevor sie dann in kulturell bzw. diskursiv etablierte Bahnen gelenkt und – im Rahmen von Praktiken oder Interaktionen – ausagiert werden können. Damit entziehen sich Affekte bestimmten Formen der reflektierenden Repräsentation. Affektivität ist weder unabhängig von Enkulturation und Emotionsrepertoires, noch geht sie restlos in ihnen auf. Sie zeigt sich oftmals als (mitunter dramatische) gefühlte Differenz zu bereits Bestehendem (vergangene Erfahrungen, Handlungen, Interaktionen, Bedeutungen, Einbettungen). Als diese intensiven Differenzen können Affekte weitere, nun auch sozial bemerkbare Änderungen hervorrufen.

Ein solcher Begriff von Affekt erlaubt einen Zugriff auf affektive Phänomene jenseits der Verankerung im Individuum und vor ihrer Tradierung durch Diskurse oder Normierungen. 

[Der SFB schließt mit seiner Begriffsbildung zu Affekt mit eigener Akzentsetzung an eine Traditionslinie der Kontinentalphilosophie an, die sich auf die Philosophie Spinozas und ihre Rezeption durch Gilles Deleuze beruft.]  

Quelle

Literatur zum Begriff

  • KIRCHNER, Friedrich. Wörterbuch der philosophischen Begriffe. Hamburg 1998.

Zitiervorschlag

Janis Walter, „Affekt“, Version 1.0, 24.07.2023, ORGANON terminology toolbox, Berlin: eDoc-Server der Freien Universität Berlin.
  • ORGANON terminology toolbox (von gr. ὄργανον: Werkzeug) ist ein Instrument zur Orientierung in der Landschaft interdisziplinär relevanter Begriffe und Theorien. Mit wenigen Blicken finden Sie hier einen Überblick über relevante Diskurse, Grundlagentexte und weiterführende Links.

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