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Begriff Metapher

Metapher

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Das griechische Kompositum μεταφέρειν drückt ein ‘Anderswohintragen’ aus.

Diskurse und Kontexte 

1. Aristotelischer Diskurs

In seiner Poetik bestimmt ARISTOTELES Metaphern als sprachliche Ausdrücke, die sich auf andere Dinge in der Welt beziehen als sie es in ihrem gewöhnlichen Gebrauch tun (Poetik 21, 1457b9–16 und 20–22). Er unterscheidet vier Fälle des metaphorischen Gebrauchs: (i) Die Bedeutung wechselt von einem bestimmten Genus zu einer bestimmten Spezies. (ii) Sie wechselt von einer bestimmten Spezies zu einem bestimmten Genus. (iii) Sie wechselt von einer bestimmten Spezies zu einer anderen. (iv) Sie wechselt durch analoge Übertragung. In der modernen Taxonomie figürlicher Rede gehören die beiden ersten Fälle zu den Synekdochen, der dritte Fall ist am ehesten als eine Metonymie aufzufassen. Analogie-Metaphern kommen dem modernen Verständnis von Metaphern am nächsten. In ihrem Fall werden laut ARISTOTELES die Verhältnisse zwischen jeweils zwei Dingen miteinander in Beziehung gesetzt: So wie sich A zu B verhält, verhält sich C zu D. Die Bedeutung des metaphorisch gebrauchten Ausdrucks wechselt in diesem Fall von B (gewöhnliche Bedeutung) zu D (metaphorische Bedeutung) bzw. von D (gewöhnliche Bedeutung) zu B (metaphorische Bedeutung). Vergleiche werden von ARISTOTELES als Metaphern verstanden. Ihre Besonderheit besteht nur im sprachlichen Ausdruck, der ein „wie“ enthält („A ist wie B“). Ihrer Natur nach unterscheiden sie sich von Metaphern aber nicht (Rhetorik III, 1406b20-27).

Quellen
  • ARISTOTELES. Poetik, 21–22.
  • ARISTOTELES. Rhetorik, Buch III.

2. Diskurs der zeitgenössischen Metapherntheorie

Zentraler Ausgangspunkt der zeitgenössischen Metapherntheorie bildet die „Interaktionstheorie der Metapher“ Max BLACKS (1996 (1954)). Grundgedanke ist hier, dass in Metaphern zwei Bedeutungssysteme miteinander verknüpft werden und zwar so, dass ein ganzes „System assoziierter Gemeinplätze“ (71) auf einen Gegenstand bezogen wird. Die Interaktionstheorie widerspricht der Substitutionstheorie der Metapher, also der Auffassung, die behauptet, metaphorische Formulierungen seien nur schmückendes oder veranschaulichendes Beiwerk und könnten auf wörtliche Formulierungen zurückgeführt oder durch solche ersetzt werden. Paul RICŒUR, ein weiterer Referenzautor der Metaphorologie im 20. Jahrhundert, hat gegen Max BLACK (dem er in vielen Punkten folgt) eingewandt, dass die Metapher nicht als eine bloße Kombination etablierter Gemeinplätze gedacht werden dürfe, da auf diesem Wege eine Substitutionstheorie nicht wirklich überwunden werden könne. RICŒUR schlägt dagegen vor, die Metapher als eine „semantische Innovation“ zu verstehen, „die in der Sprache keine Stelle als schon Eingeführtes hat.“ (RICŒUR 1986, 165) Mit dieser Zuspitzung auf das kreative Moment entsteht für RICŒUR aber das Problem, wie denn jene sprachlichen Figuren zu bestimmen sind, die sich als metaphorisch ausweisen, aber altbekannt sind. Zur Auflösung dieses Problems führt RICŒUR die Unterscheidung von lebendiger Metapher, die „zugleich Ereignis und Sinn“ (166) ist, und toter Metapher ein, welche „wieder zu einer gewöhnlichen Bedeutung [wird]“ (166).

Quellen
  • BLACK, Max. „Die Metapher“ (1954). In: HAVERKAMP, Anselm, (Hrsg.). Theorie der Metapher. Darmstadt 1996, 55–79.
  • RICŒUR, Paul. Die lebendige Metapher (1975). München 1986.

3. Diskurs der Wissenschaftstheorie

Für die Wissenschaftstheorie wurde der Ansatz von Mary HESSE bedeutsam, theoretische Erklärung generell als „metaphoric redescription of the domain of the explanandum“ (HESSE 1966, 157) zu fassen. HESSE geht davon aus, dass wissenschaftliche Erkenntnisse durch Übersetzungen in symbolische Artefakte gewonnen werden. Mit dem Begriff redescription bezeichnet HESSE den Übergang von einer „‘observation’ language“ zur Neufassung „in terms of a theoretical model“ (ARBIB und HESSE 1986, 156).

Quellen
  • ARBIB, Michael A., und HESSE, Mary B. The Construction of Reality. Cambridge 1986.
  • HESSE, Mary B. Models and Analogies in Science. Notre Dame 1966.

4. Diskurs der konzeptuellen Metapherntheorie der kognitiven Linguistik

In der konzeptuellen Metapherntheorie der kognitiven Linguistik (engl. Conceptual Metaphor Theory, CMT) wird, ausgehend von George LAKOFF und Mark JOHNSON (LAKOFF und JOHNSON 1980), eine Metapher als ein Vergleich von Teilen zweier verschiedener „konzeptueller Domänen“ definiert. Dabei wird die eine, das Vehikel/der Bildspender, als Quelldomäne (z. B. Reise), die andere als Zieldomäne (z. B. Liebe) bezeichnet (engl. source domaintarget domain). Angesprochen wird die konzeptuelle Metapher in Formeln wie z. B. „Liebe ist eine Reise“. Die Interpretation der Metapher ergibt sich durch eine zumeist selektive, kognitive Überlagerung der zwei verglichenen Domänenausschnitte (Conceptual Blending Theory). Die CMT interessiert sich u. a. für die konzeptuellen Metaphern zugrundeliegende Lebenserfahrungen, z. B. für mögliche körperliche Grundlagen. Hier rückt auch die Frage der Kulturabhängigkeit von Metaphern in den Blick. Konzeptuelle Metaphern werden nicht nur in sprachlichen Medien untersucht, sondern auch in z. B. Gesten, Architektur und Bildern (bedeutend ist groß). Im Rahmen der CMT können auch explizite Vergleiche mit „wie“ als „signalisierte“ Metaphern verstanden werden. Im Unterschied zur Metapher stellt die Metonymie eine Ersetzung eines Begriffs durch einen anderen innerhalb ein und derselben konzeptuellen Domäne dar, z. B. das Weiße Haus für den/anstelle des US-amerikanischen Präsidenten. Angesprochen wird die konzeptuelle Metonymie mit Formeln wie „Das Weiße Haus steht für den US-amerikanischen Präsidenten“). Nach RICŒUR wird nur zwischen „toten“ Metaphern und innovativen/„lebendigen“ Metaphern unterschieden (siehe oben). Ein zweidimensionales Klassifizierungsmodell hat Cornelia MÜLLER (2008) vorgeschlagen: Sie unterscheidet (i) eine überindividuell-verallgemeinernde, gesamtsprachliche Klassifizierung aus Forscher*innen-Sicht von einer (ii) Klassifizierung der Metaphern-Verwendung im konkreten Kontext (Pragmatik). Im ersten Fall unterscheidet sie zwischen novelentrenched und historical metaphors, im zweiten Fall zwischen waking und sleeping metaphors. Damit lassen sich u. a. Phänomene beschreiben, bei denen der Metaphern-Charakter eingebürgerter, d. h. normalerweise nicht kognitiv als Metaphern verarbeiteter Metaphern in einem konkreten Verwendungskontext ins Bewusstsein gehoben wird („Erwecken von schlafenden Metaphern“). Die CMT interessiert sich zwar auch für „innovative“, aber insbesondere für „eingebürgerte“ und „historische“ Metaphern/Metonymien.

Quellen
  • KÖVECSES, Zoltán. Metaphor. A Practical Introduction. Oxford 2010.
  • LAKOFF, George, und JOHNSON, Mark. Metaphors We Live By. Chicago 1980. (dt. Leben in Metaphern: Konstruktion und Gebrauch von Sprachbildern. Aus d. Amerikan. übers. von Astrid Hildenbrand. Heidelberg 1998.)
  • MÜLLER, Cornelia. Metaphors Dead and Alive, Sleeping and Waking. A Dynamic View. Chicago 2008.
  • RICŒUR, Paul. Die lebendige Metapher (1975). München 1986.

Literatur zum Begriff

  • DEBATIN, Bernhard. Die Rationalität der Metapher: Eine sprachphilosophische und kommunikationstheoretische Untersuchung. Berlin 1995.
  • GEHRING, Petra. „Das Bild vom Sprachbild. Die Metapher und das Visuelle“. In: DANNEBERG, Lutz, SPOERHASE, Carlos, und WERLE, Dirk, (Hrsgg.). Begriffe, Metaphern und Imaginationen in Philosophie und Wissenschaftsgeschichte. Wiesbaden 2009, 81–101.
  • HAVERKAMP, Anselm, (Hrsg.). Theorie der Metapher. Darmstadt 1983.
  • KOGGE, Werner. „Grammatische Untersuchung und Metapherntheorie. Wie (und wie nicht) Philosophie eine kritische Untersuchung des Sprachgebrauchs leisten kann“. In: Experimentelle Begriffsforschung. Philosophische Interventionen am Beispiel von Code, Information und Skript in der Molekularbiologie. Weilerswist 2017, 257–276.
  • WERLE, Dirk, (Hrsgg.). Begriffe, Metaphern und Imaginationen in Philosophie und Wissenschaftsgeschichte. Wiesbaden 2009, 81–101.

Zitiervorschlag

Christian Barth, Werner Kogge, Daniel A. Werning, „Metapher“, Version 1.1, Sonntag, 15. Januar 2017, ORGANON terminology toolbox, Berlin: eDoc-Server der Freien Universität Berlin.

  • ORGANON terminology toolbox (von gr. ὄργανον: Werkzeug) ist ein Instrument zur Orientierung in der Landschaft interdisziplinär relevanter Begriffe und Theorien. Mit wenigen Blicken finden Sie hier einen Überblick über relevante Diskurse, Grundlagentexte und weiterführende Links.

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