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Begriff Intention / Intentionalität

Intention / Intentionalität

  • Version 1.0
  • Veröffentlicht Montag, 11. November 2019

Zum Wort

Intention, im 16. Jh. dem lateinischen intentio/-ōnis entlehnt, meint eine absichtliche Handlung bzw. einen Vorsatz, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, und folgt hiermit dem lateinischen Begriff intendere in seiner Bedeutung als einem sich „hinwenden, sein Streben auf etwas richten“ (KLUGE 2001). Der Begriff Intentionalität im Sinne von Absichtlichkeit findet sich schon Ende des 18. Jahrhunderts, etwa bei Immanuel KANT, zu einem theoretischen Grundbegriff wurde er zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Phänomenologie Edmund HUSSERLS. [UJ]

Diskurse und Kontexte

1. Philosophischer Diskurs

Der Begriff Intentionalität wird im philosophischen Diskurs als eine Fähigkeit des Menschen verstanden, sich auf etwas zu beziehen – seien es reale oder nicht reale Gegenstände, Ideen, Sachverhalte oder Eigenschaften. Aufbauend auf antiken Theorien wurde der Begriff vor allem durch Franz BRENTANO und den Phänomenologen Edmund HUSSERL geprägt.

Die intentionale Beziehung unterscheidet sich von den typischen Relationen, wie z. B. größer als … sein oder neben … sitzen. Zum einen können wir uns auf etwas intentional beziehen auch dann, wenn dieses etwas nicht existiert (z. B. an den heiligen Nikolaus denken). Zum anderen ist das Bestehen der intentionalen Beziehung davon abhängig, wie das Referenzobjekt beschrieben wird. (Von der Behauptung, dass Hans an den Abendstern denkt, kann man nicht ohne weiteres darauf schließen, dass er auch an den Morgenstern denkt.) Die genannten Anomalien werden oft als „existentiale Indifferenz“ und „Aspektualität“ der intentionalen Beziehung bezeichnet.

Abhilfe sucht man, indem man neben dem Subjekt und dem Referenzgegenstand noch ein drittes Glied einführt, das in der Geschichte der Philosophie unter dem Namen „Idee“, „Repräsentation“, „immanentes Objekt“ oder „Noema“ behandelt wird. Im Rahmen dieser Auffassung kann man behaupten, dass es eine immanente Repräsentation (immanentes Objekt, Noema etc.) selbst dann gibt, wenn kein transzendenter Referenzgegenstand oder unterschiedliche Bezugnahmen auf dasselbe Objekt gegeben sind.

Dieses Erklärungsschema wurde in der Geschichte der Philosophie oft verwendet (SEARLE 1983). So ist nach Franz BRENTANO die intentionale Inexistenz eines Gegenstandes das Definitionsmerkmal des Mentalen (BRENTANO 2008 (1874)) und bei HUSSERL finden wir sogar noch eine weitere Unterscheidung zwischen Noema, dem intendierten Objekt, und Noesis, dem mentalen Akt (HUSSERL 1984 (1901)).

In der Tradition der introspektiven Psychologie und Phänomenologie geht man davon aus, dass man den epistemischen Zugang zu den Strukturen der intentionalen Beziehung durch eine gewisse immanente Blickwendung gewinnt. Franz BRENTANO spricht in diesem Kontext von der inneren Wahrnehmung und bei HUSSERL finden wir die Lehre von der transzendentalen Reflexion.

Quellen
  • BRENTANO, Franz. „Psychologie vom empirischen Standpunkte“ (1874). In: BRENTANO, Franz. Psychologie vom empirischen Standpunkte. Von der Klassifikation der psychischen Phänomene (Sämtliche veröffentlichte Schriften, hrsg. von T. Binder, A. Chrudzimski, Bd. I). Frankfurt/Main 2008, 1–289.
  • HUSSERL, Edmund. Logische Untersuchungen, Bd. II, Teil 1/2, Halle 1901 (Husserliana XIX/1 & XIX/2. Hg. U. Panzer). Den Haag 1984.
  • SEARLE, John R. Intentionality. An Essay in the Philosophy of Mind. Cambridge 1983.

2. Diskurs der Entwicklungspsychologie

Aus einer auf VYGOTSKY zurückzuführenden Perspektive der Entwicklungspsychologie haben TOMASELLO und Kollegen den Begriff der geteilten Intentionalität oder „Wir“-Intentionalität geprägt. Darunter werden Aktivitäten verstanden, bei denen Menschen psychologische Zustände miteinander teilen, z. B. indem sie ein gemeinsames Ziel verfolgen, einen gemeinsamen Handlungsplan umsetzen oder eine gemeinsame Erfahrung miteinander teilen. Nach Stand aktueller Forschung zeigen Menschen die Fähigkeit zur geteilten Intentionalität zwischen dem ersten und zweiten Lebensjahr; bei den nächsten biologischen Verwandten des Menschen – den Menschenaffen – konnte diese Fähigkeit bisher nicht gezeigt werden. Es wird davon ausgegangen, dass die Fähigkeit zur geteilten Intentionalität eine wichtige Grundlage für menschliche Kultur darstellt.

Quellen
  • TOMASELLO, Michael, und CARPENTER, Malinda. „Shared intentionality“. In: Developmental Science 10.1 (2007), 121–125.
  • TOMASELLO, Michael, CARPENTER, Malinda, CALL, Josep, BEHNE, Tanya, und MOLL, Henrike. „Understanding and sharing intentions: The origins of cultural cognition“. In: Behavioral and Brain Sciences 28.5 (2005), 675–691.

3. Diskurs der Archäologie

In der Archäologie ist „Intentionalität“ im Sinne reflektierter Handlungsabsichten ein ausgesprochen relevantes Thema, obwohl es kaum begrifflich reflektiert wird. Intentionen erscheinen dort, wo zielgerichtetes Handeln thematisiert wird (Grabanlage, Hausbau), bis hin zu komplexen Rekonstruktionen namentlich bekannter Individuen. Problematisch sind post hoc-Intentionalisierungen, die man in archäometrischen Materialanalysen oft findet.

Wo Intentionalität in der Archäologie theoretisch diskutiert wird, geschieht dies meist ablehnend, etwa in „agency“- und „practice theory“-Debatten (DOBRES und ROBB 2000; DORNAN 2001). Dabei wird Praxis als verkörperlicht oder als per Sozialisation interiorisiert, als nicht weiter reflektiert und reflektierbar hingestellt. Wenn überhaupt, erscheint Intentionalität als dem „praktischen Bewusstsein“ beiseite gestelltes „diskursives Bewusstsein“.

Als vorläufiger Ansatz einer begrifflichen Fassung können unterschiedliche Arten von Intentionen unterschieden werden (BERNBECK 2003a). Experimentell sind Intentionen dann, wenn das Ziel von Handlungen nur vage formuliert werden kann und nach Methoden zur Umsetzung gesucht wird. Reguliert sind sie, wenn bekannte Regeln und Ziele in einer routinierten Weise in Übereinstimmung gebracht werden. Situational ist Intentionalität, wenn ohne weitere Regelkenntnisse ein Verfahren etwa zur Herstellung von Objekten durchgeführt wird, womit man sehr nahe am üblichen Praxis-Begriff der Archäologie ist. Schließlich gibt es obstruktive Intentionalität, die auf einer negierenden Zielsetzung beruht (BERNBECK 2003a, BERNBECK 2003b).

Quellen
  • BERNBECK, Reinhard. „Die Vorstellung der Welt als Wille. Zur Identifikation von intentionellem Handeln in archäologischen Kontexten“. In: HEINZ, Marlies, EGGERT, Manfred K.H., und VEIT, Ulrich, (Hrsgg.). Zwischen Erklären und Verstehen? Beiträge zu den erkenntnistheoretischen Grundlagen archäologischer Interpretation. Münster 2003, 201–237. (2003a)
  • BERNBECK, Reinhard. „The Ideologies of Intentionality“. In: Rundbrief der Arbeitsgemeinschaft Theorie in der Archäologie 2.2 (2003), 44–50. (2003b)
  • DOBRES, Marica-Ann, und ROBB, John, (Hrsgg.). Agency in Archaeology. London 2000.
  • DORNAN, Jennifer L. „Agency and Archaeology: Past, Present, and Future Directions.“ In: Journal of Archaeological Method and Theory 9.4 (2002), 303–329.

Literatur zum Begriff

  • CHRUDZIMSKI, Arkadiusz. Intentionalität, Zeitbewusstsein und Intersubjektivität. Studien zur Phänomenologie von Brentano bis Ingarden. Frankfurt/Main 2005.
  • JOYCE, Rosemary A. „Unintended Consequences? Monumentality as a Novel Experience in Formative Mesoamerica”. In: Journal of Archaeological Method and Theory 11.1 (2004), 5–29.
  • KLUGE, Friedrich. „Intention“. In: KLUGE, Friedrich, bearb. von SEEBOLD, Elmar. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Berlin/New York 2001.
  • MAYER, Verena. Edmund Husserl. München 2009.
  • PAUKETAT, Timothy. „Practice and History in Archaeology: An Emerging Paradigm”. In: Anthropological Theory 1.1 (2001), 73–98.
  • Empfehlenswerter Wikipedia-Artikel zu Intentionalität (letzter Zugriff: 12. März 2019)

Zitiervorschlag

Ulla Jaekel, Patricia Kanngießer, Reinhard Bernbeck, Arkadiusz Chrudzimski, „Intention / Intentionalität“, Version 1.0, Montag, 11. November 2019, ORGANON terminology toolbox, Berlin: eDoc-Server der Freien Universität Berlin.

  • ORGANON terminology toolbox (von gr. ὄργανον: Werkzeug) ist ein Instrument zur Orientierung in der Landschaft interdisziplinär relevanter Begriffe und Theorien. Mit wenigen Blicken finden Sie hier einen Überblick über relevante Diskurse, Grundlagentexte und weiterführende Links.

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