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Begriff Emotion

Emotion

  • Version 1.0
  • Veröffentlicht Montag, 24. Juli 2023

Zum Wort

Das Wort Emotion ist eine Übertragung des bedeutungsgleichen französischen émotion, das eine Aufregung oder Gemütsbewegung bezeichnet. Das Wort émotion wiederum bildet sich ähnlich wie das lateinische Wort ēmovēre aus dem Wortstamm motion (frz.) bzw. movēre (lat.) für bewegen, erregen, erschütter.

Diskurse und Kontexte

1. Der Diskurs der Neurowissenschaft

Der Diskurs der Neurowissenschaft fasst mit Emotion die im Prozess der Evolution erworbenen und in diesem Sinne angeborenen vor allem körperlichen, genauer im Körper ablaufenden Reaktionen auf äußere Reize. „Emotionen sind komplexe, größtenteils automatisch ablaufende, von der Evolution gestaltete Programme für Handlungen“ (DAMASIO, 122). Emotionen sind in diesem Sinne meist gerichtet.

Quelle
  • DAMASIO, Antonio. Selbst ist der Mensch: Körper, Geist und die Entstehung des menschlichen Bewusstseins. München 2013.

2. Der Diskurs der Emotionssoziologie nach Erving Goffmann

Der Diskurs der Emotionssoziologie nach Ervin Goffmann begreift Emotionen als die Expression eines Interaktionsgeschehens. Dieses Verständnis grenzt sich explizit ab von einer sich im Einzelnen vollziehenden Gefühls- oder Emotionsregung. Der Bezug auf Emotionen hat dabei eine wesentlich analytische Funktion. Emotionen kommen vor allem da in Blick, wo in einer Interaktionen Emotionen des Unbehagens oder der Scham (embarrassement) hervorrufen. Goffmann hat in diesem Sinne einen analytischen Emotionsbegriff und entwickelt keine Emotionstheorie. Dieses Emotionsverständnis kommt beispielhaft in dem Aufsatz Embarrassement and Social Organization zum Ausdruck: „Embarrassment has to do with unfulfilled expectations but not of statistical kind. Given their social identities and the setting, the participants will sense what sort of conduct ought to be maintained as the appropriate thing, however much they may despair of its actually occurring“ (GOFFMANN, 269).

Quellen

3. Der Diskurs der Emotionsgeschichte

In der Emotionsgeschichte werden Emotionen als individuell beschriebene oder gezeigte Empfindungen begriffen, die Rückschlüsse auf gesellschaftliche und historisch bedingte Veränderungen, im Besonderen auch zu der Frage, was als Emotion sprachlich fassbar wird, ermöglichen. Was Emotionen sind, unterliegt also einem historischen Wandel und gerade dieser Wandel ist Gegenstand der Emotionsgeschichte (siehe PLAMPER, 38). Der Begriff Gefühl wird in der Regel synonym verwandt. Emotion funktioniert dabei in mindestens zweierlei Hinsicht als Grenzbegriff, der neue Quellen und Zugänge erschließt: das individuelle Empfinden erhält und behält seine Gültigkeit auch im Prozess der Einordnung in den größeren Zusammenhang. „Die Verschiedenheit sollte deutlich werden“ (GAMMERL, 350); es werden explizit Empfindungen in Blick genommen, „die sich auf der historisch variabel verstandenen Grenze von Körper und Nicht-Körper“ (HITZER, 13) bewegen. 

Quellen
  • GAMMERL, Benno. anders fühlen. Schwules und lesbisches Leben in der Bundesrepublik. Eine Emotionsgeschichte. München 2021.
  • HITZER, Bettina. Krebs fühlen. Eine Emotionsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Hamburg 2020.
  • PLAMPER, Jan. Geschichte und Gefühl. Grundlagen der Emotionsgeschichte. München 2012.

4. Der Diskurs des SFB Affective Societies

Der Diskurs des Sonderforschungsbereich Affective Societies versteht unter Emotion solche affektiven Vollzüge, die sich aus der Perspektive einer Person oder eines Kollektivs wertend auf Gegenstände, Situationen oder Ereignisse in der Welt beziehen. Üblicherweise werden solche gerichteten affektiven Episoden mit kulturspezifischen Konzepten wie Furcht, Freude, Zorn, Trauer, Stolz, Scham oder Neid belegt und tradiert. Emotionen bilden somit ein diskretes Spektrum von mehr oder weniger weit geteilten Arten affektiver Vollzüge, die sich jeweils durch ihren evaluativen Weltbezug auszeichnen. Emotionen sind so innerhalb von Kollektiven vorübergehend stabilisierte, diskursiv benannte affektive Vollzüge, die oft in spezifischen emotionalen Praktiken ausagiert werden. Emotionen verbinden sich zu kollektiv geteilten aber individuell verfügbaren Emotionsrepertoires.Dieses Verständnis von Emotionen erlaubt es, ihren unterschiedlichen Tradierungen und Ausdrucksformen einen direkten Einfluss auf das emotionale Erleben zuzusprechen und somit nicht nur den historischen Wandel, sondern auch die gezielte Herstellung oder „Fabrikation“ von Emotionen bzw. Emotionsrepertoires zu untersuchen. Dieser Ansatz erlaubt zudem, Emotionen auch jenseits und unabhängig von ihren individuellen Trägern zu verstehen, etwa als medial zirkulierende Ausdrucksformen in verschiedenen diskursiven und ästhetischen Registern (z.B. Sprache, Bild, Film).

Quelle

Literatur zum Begriff

  • KIRCHNER, Friedrich et. al. „Emotion“. In: Wörterbuch der philosophischen Begriffe. Hamburg 1998, S. 179.

Zitiervorschlag

Janis Walter, „Emotion“, Version 1.0, ORGANON terminology toolbox, Berlin: eDoc-Server der Freien Universität Berlin.

  • ORGANON terminology toolbox (von gr. ὄργανον: Werkzeug) ist ein Instrument zur Orientierung in der Landschaft interdisziplinär relevanter Begriffe und Theorien. Mit wenigen Blicken finden Sie hier einen Überblick über relevante Diskurse, Grundlagentexte und weiterführende Links.

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