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Begriff Diagramm

Diagramm

Zum Wort

Das Wort diágramma bezeichnet im Altgriechischen eine ebene Figur, begrenzt von Linien, insbesondere eine geometrische Figur.

Quelle
  • LIDDELL, Henry G., und SCOTT, Robert. A Greek-English Lexicon. Bearbeitet von Sir Henry Stuart Jones. Oxford 1940.

Diskurse und Kontexte

1. Phänomenologischer medienzentrierter Diskurs

Ein phänomenologischer, medienzentrierter Zugang definiert ein „Diagramm“ als ein Bild-Text-Hybrid (oder: Schema-Schrift-Hybrid). Dabei wird angemerkt, dass das Hybrid über ein bloßes additives Verhältnis von Bild und Text hinausgeht. Für bestimmte Schrift-/Bildkulturen ergibt sich bei diesem Ansatz das Problem, dass Bild und Text/Schrift nicht immer scharf zu trennen sind (ikonische Schriftzeichen, symbolische Bildelemente; „Schriftbildlichkeit“) (vgl. ERNST & BAUER 2010: 28f). „Diagrammatische Veranschaulichungen nutzen […] einerseits räumliche Strukturen / Lagebeziehungen auf der Schreibfläche (wie »links« und »rechts«, »oben« und »unten«, »gegenseitige Nähe« und »Ferne«) und andererseits die Potentiale der menschlichen Gestaltwahrnehmung (etwa die Fähigkeiten zum Zusammen- und Auseinandersehen, sowie zum Überblicken), um Sachverhalte/Relationen darzustellen“ („Diagramm“, in: Glossar der Bild-Philosophie).

Quelle
  • BAUER, Matthias, und ERNST, Christoph. Diagrammatik: Einführung in ein kultur- und medienwissenschaftliches Forschungsfeld. Bielefeld 2010.

2. Diskurs der Semiotik nach Charles Sanders Peirce

In der Semiotik nach Charles Sanders Peirce (1839–1914) ist ein „Diagramm“ einer von drei Ähnlichkeitstypen, die zwischen einem Zeichen i.e.S. (representamen, entspricht signifier) und (der Vorstellung von) seinem Bezugsobjekt (dynamic/immediate object, entspricht signified) bestehen können. Neben der „symbolischen“ Zeichen–Objekt-Relation (Übereinkunft) und der „indexikalischen“ Zeichen–Objekt-Relation (Kausalität) unterscheidet er innerhalb der „ikonischen“ Zeichen–Objekt-Relation (Ähnlichkeit) zwischen „Bildern“ („images“), „Diagrammen“ und „Metaphern“. Während Bilder (auch) „einfache Qualitäten“ ihrer Objekte wiedergeben, ähneln Diagramme ihren Objekten (nur) strukturell/schematisch, indem sie Relationen wiedergeben, welche entsprechenden Relationen innerhalb ihrer Objekte analog sind (PEIRCE 1903, EP 2:273, CP 2.277). „Many diagrams resemble their objects not at all in looks; it is only in respect to the relations of their parts that their likeness consists“ (PEIRCE CP 2.282).

Quelle
  • PEIRCE, Charles Sanders. On Some Topics of Logic (Lowell Lectures: Syllabus). 1903.

3. Diskurs der Diagrammatik-Forschung

Die Diagrammatik-Forschung geht von der Peirce’schen Definition von Diagrammen als ikonische Relationsschemata (s.o.) aus. Mit Peirce werden diagrammhafte/diagrammatische Zeichen nicht nur in materiellen, schematischen Bildmedien gesehen, sondern auch in z.B. Texten, Theaterstücken, Filmen, Mythen, Verhaltensmustern, in Tabellen, in gesprochener Sprache, in Bildern i.w.S., in (konzeptuellen) Metaphern und insbesondere auch in Form von „mentalen Diagrammen“ im Denken (diagrammatic reasoning, „anschauliches Denken“). Die Diagrammatik-Forschung interessiert sich insbesondere auch für den „semiotische[n] Übersetzungsprozess zwischen intern-mentalen Prozessen und extern-materiellen Strukturen (und vice versa) — mithin zwischen Bewusstseins- und Kulturleistungen“ (ERNST und BAUER 2010: 22). Hinsichtlich der kognitiven Wirkung von Diagrammen sind zwei Phänomene herausgestellt worden: (i) Diagramme scheinen Schlussfolgerungen unmittelbar nahezulegen (Evidenzprinzip) und (ii) Diagramme werden mental nicht nur interpretiert, sondern regen auch zur mentalen Rekonfiguration an (Virtualitätsprinzip), wodurch neue Vorstellungen entstehen können (ERNST und BAUER 2010: 14f, 24).

Quellen
  • BAUER, Matthias, und ERNST, Christoph. Diagrammatik: Einführung in ein kultur- und medienwissenschaftliches Forschungsfeld. Bielefeld 2010.
  • STJERNFELT, Frederik. Diagrammatology. An Investigation on the Borderlines of Phenomenology, Ontology, and Semiotics. Amsterdam 2007.

Literatur zum Begriff

  • BAUER, Matthias, und ERNST, Christoph. Diagrammatik: Einführung in ein kultur- und medienwissenschaftliches Forschungsfeld. Bielefeld 2010.
  • LJUNGBERG, Christina. Creative Dynamics: Diagrammatic Strategies in Narrative (Iconicity in Language and Literature 11). Amsterdam u.a. 2012.
  • SCHNEIDER, Birgit, ERNST, Christoph, und WÖPKING, Jan. Diagrammatik-Reader. Grundlegende Texte aus Theorie und Geschichte. Berlin 2016.
  • Rainer Totzke, Dimitri Liebsch, Joerg R. J. Schirra u. a. „Diagramm“, in: Glossar der Bild-Philosophie, hrsg. vom GIB Tübingen. 4.1.2014.

  • Homepage von Gerhard Dirmoser (letzter Zugriff: 29.1.2016), mit zahlreichen Dokumenten zu den Themen Diagrammatik und Mapping.

Zitiervorschlag

Daniel A. Werning, „Diagramm“, Version 1.1, Dienstag, 10. Oktober 2017, ORGANON terminology toolbox, Berlin: eDoc-Server der Freien Universität Berlin.

  • ORGANON terminology toolbox (von gr. ὄργανον: Werkzeug) ist ein Instrument zur Orientierung in der Landschaft interdisziplinär relevanter Begriffe und Theorien. Mit wenigen Blicken finden Sie hier einen Überblick über relevante Diskurse, Grundlagentexte und weiterführende Links.

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