Logo

Suche

Begriff Bricolage

Bricolage

  • Version 1.0
  • Veröffentlicht Sonntag, 23. Juli 2023

Zum Wort

Das seit dem 20. Jh. belegte französische Substantiv bricolage bezeichnet das Ergebnis oder den Prozess des bricoler; seinerseits abgeleitet von bricole (im modernen Sprachgebrauch ‚kleine, unbedeutende Sache, Arbeit oder Tätigkeit‘), bedeutet das Verb entweder ‚handwerklich tätig sein‘ oder (zum Teil pejorativ) ‚etw. amateurhaft installieren‘. Ebenfalls in den modernen Sprachgebrauch eingegangen ist die Begriffsprägung durch Lévi-Strauss 1962 als ‚improvisierte, an die vorhandenen Materialien und Umstände angepasste Arbeit‘. Im Anschluss an Lévi-Strauss ist der Begriff auch als Lehnwort in andere Sprachen übernommen worden; seine jeweiligen Übersetzungen (dt.: ‚Bastelei‘, ‚Tüfteln‘ ‚Heimwerken‘; engl.: ‚Do-it-yourself‘, ‚tinkering‘) bilden z.T. nicht den gesamten Lévi-Strauss’schen Begriff ab, sondern rekurrieren v.a. auf den Wortgebrauch in der frz. Gemeinsprache oder sind analog zu ihm gebildet.

Quellen
  • „bricolage“, „ bricoler“, „bricole“, Le Grand Robert de la langue française. Paris 2008 - https://grandrobert.lerobert.com/robert.asp (besucht am 11.11.2022)
  • „bricolage“, Oxford English Dictionary
  • LÉVI-STRAUSS, Claude: La pensée sauvage. Paris 1962; deutsch: Das wilde Denken. Übersetzung von Hans Naumann. Frankfurt am Main 1968.

Diskurse und Kontexte

1. Diskurs der französischen Gemein- und Wirtschaftssprache

In der französischen Gemein- und Wirtschaftssprache bezeichnet das Wort (analog zum zum engl. ‚Do-it-yourself‘ (DIY)) seit dem 20. Jh. handwerkliche Tätigkeiten, wie Reparaturen, Aus- und Umbauten oder die Herstellung von Gebrauchs- und Kunstgegenständen durch Basteln und Heimwerken im nicht-professionellen Kontext. Die für ‚bricolage‘ notwendigen Produkte und Mittel werden in ‚magasins du bricolage‘ (Baumärkten) und ‚grandes surfaces du bricolage (GSB)‘ (Großmärkten) vertrieben, von denen viele den Terminus in ihrem Namen verarbeiten (z.B. Bricomarché, Mr Bricolage, Les Briconautes).

Quellen

2. Diskurs des anthropologischen Strukturalismus

Für den Diskurs des anthropologischen Strukturalismus war die Begriffsverwendung durch den Ethnologen und Anthropologen Claude LÉVI-STRAUSS prägend. In seinem Buch Das wilde Denken (1962/1968) entfaltet er eine „Theorie“ der B., „die ebenso der Erkundung einer aktuellen Praktik des wilden Denkens dient, die sich innerhalb des Bereichs des domestizierten Denkens erhalten hat, wie auch der Veranschaulichung des mythischen Denkens der ›Wilden‹“. (BIES 2018) Für LÉVI-STRAUSS‘ Begriff der B., deren Ziele, Mittel und Arbeitsweisen er im Vergleich mit der Arbeit des Ingenieurs profiliert, sind die Improvisation und die dadurch implizierte Anpassung an das Vorhandene kennzeichnend. Während der Ingenieur „zielgerichtet“ (KUESTER 2013, 89) einen vorgefassten Plan umsetzt und von den hierfür notwendigen Mitteln abhängig ist, bestimmen umgekehrt die vorhandenen, begrenzten und – gemäß einer ursprünglichen Funktion von bricoler, „eine nicht vorgezeichnete Bewegung zu betonen“– „abwegig[en]“ Ressourcen (moyens détournés; „Abfälle und Bruchstücke“, des bribes et des morceaux, LÉVI-STRAUSS 1962/1968, 29 u. 35) die Arbeit des bricoleurs. Analog verfahre das mythische Denken der ‚Wilden‘ bzw. ‚Naturvölker‘ im Gegensatz zur modernen Wissenschaft, indem es immer wieder neue Mythen aus den Strukturen älterer generiert. Umstritten sind der „Spielraum“ dieser „intellektuellen Bastelei“ (bricolage intellectuel, LÉVI-STRAUSS 1962/1968, 29) „im Umgang mit dem Überlieferten“ (STIERLE, 458) und ihre Zeitlichkeit: Einerseits bedeutet das Konzept eine „Umkehrung“ der „Struktur und Manifestation“ der Mythen (STIERLE 1971, 457), indem erstere Signifikant und letztere Signifikat wird, und der Ausdruck von der „poésie du bricolage“ (LÉVI-STRAUSS 1962/1968, 34) suggeriert die Entstehung kreativer Mythenrezeptionen. Damit scheint B. als mythologische Tätigkeit eine „diachronische Erstreckung des Mythos“ (STIERLE 1971, 457) zu implizieren und singulär diachrones Denken innerhalb des LÉVI-STRAUSS’schen Strukturalismus zu ermöglichen (so Derrida, Deleuze, Stierle, s. FRASER 2018, 174); andererseits erscheint die mythologische B., deren Elemente (die „Beziehungsbündel“ der Mythen, LÉVI-STRAUSS 1977, 232) „von vornherein eingeschränkt“ sind („précontraints“, LÉVI-STRAUSS 1962/1968, 32; zum von „le béton précontraint“, „Spannbeton“, abgeleiteten Terminus s. FRASER 2018, 174) und sich immer nur wie im Kaleidoskop „nach vorgeschriebenen Mustern“ rekonfigurieren (FRASER 2018, 175, s. LÉVI-STRAUSS 1962/1968, 50), nicht als aktive und kreative, sondern vielmehr restaurierende Tätigkeit mit dem Ziel, die ursprünglichen, diachron in Unordnung geratenen Mythenstrukturen wiederherzustellen. Hierbei komme der Anthropologie eine unterstützende Rolle zu (FRASER 2018, 177). 

Quellen
  • BIES, Michael: 1962. „Claude Lévi-Strauss und das wilde Basteln“. In: ZANETTI, Sandro (Hg.): Improvisation und Invention. Momente, Modelle, Medien. Zürich 2018, 205-15.
  • FRASER, Jack: „Bricoleur, Ingenieur, Dekonstrukteur: Lévi-Strauss, Luhmann und die Zeiten des Strukturalismus“. In: ENDRES, Martin, HERRMANN, Leonhard (Hgg.): Strukturalismus, heute. Abhandlungen zur Literaturwissenschaft. Stuttgart 2018, 169-87.
  • KUESTER, Martin: „Bricolage/Bricoleur“. In: NÜNNING, A. (Hg.): Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Personen – Grundbegriffe. 5. Aufl. Stuttgart 2013, 89f.
  • LÉVI-STRAUSS, Claude: La pensée sauvage. Paris 1962, zitiert nach: Das wilde Denken. Übersetzung von Hans Naumann. Frankfurt am Main 1968.
  • LÉVI-STRAUSS, Claude: Strukturale Anthropologie I. Frankfurt am Main 1967/1977.
  • STIERLE, Karlheinz: „Mythos als ‚B.‘ und zwei Endstufen des Prometheusmythos“. In: FUHRMANN, Manfred (Hg.): Terror und Spiel. Probleme der Mythenrezeption. München 1971, 455–472.

3. Diskurs um den Strukturalismus als Methode der Literaturkritik und -wissenschaft

Im Diskurs um den Strukturalismus als Methode der Literaturkritik und -wissenschaft hat Gérard GENETTE den Begriff der B., den Lévi-Strauss zur Beschreibung des „mythischen Denkens“ geprägt hat, auf eine moderne Form des Denkens appliziert: die Literaturkritik bzw. die Literaturwissenschaft (sein Begriff „critique littéraire“ umfasst beides, dazu noch eine „literarische Funktion“ (fonction littéraire), da ein Kritiker auch immer selbst Autor ist, GENETTE 1966, 146f.). Er überträgt LÉVI-STRAUSS‘sche Begriffspaar Ingenieur/bricoleur (s. 1.2) direkt auf das Verhältnis von Autor und Literaturkritiker/-wissenschaftler: Während dem Autor (beispielsweise von Romanen, romancier) primäre und unendliche Ressourcen – das Universum – zur Verfügung stünden, seien die Mittel des ‚Kritikers‘ (critique) – die Literatur – sekundär und begrenzt (GENETTE 1966, 148). Ebenso sei für die ‚Literaturkritik‘ die „ständige Umkehrung“ von Signifikant und Signifikat, von Zeichen und Bedeutung, charakteristisch: „Mais ce qui était signe chez l‘écrivain (l’œuvre) devient sens chez le critique (puisque objet du discours critique), et d’une autre façon ce qui était sens chez l‘écrivain (sa vision du monde) devient signe chez le critique, comme thème et symbole d’une certain nature littéraire.“ (GENETTE 1966, 148). Anders jedoch als der LÉVI-STRAUSS’sche (intellektuelle) bricoleur, dessen mythisches Denken sich auf andere Objekte richtet als das wissenschaftliche Denken – die Provenienz seiner eigenen Objekte, der ursprünglichen Mythenstrukturen, bleibt im Dunkeln –, ist der bricoleur bei GENETTE direkt auf den Autor und sein Werk bezogen: Als „méta-littérature“ (GENETTE 1966, 146) beschäftigt sich die B. nicht nur mit dem Objektbereich, dem sie selbst entstammt, sondern bleibt auch immer konkreten literarischen Werken verhaftet; umgekehrt dürfte der Kritiker auch Einfluss auf den Autor haben.

Quellen
  • BROOKER, Peter: „Bricolage“. In: DERS. (Hg.): A Glossary of Cultural Theory, 2. ed., Oxford 2003, 21-2.
  • FRASER, Jack: „Bricoleur, Ingenieur, Dekonstrukteur: Lévi-Strauss, Luhmann und die Zeiten des Strukturalismus“. In: ENDRES, Martin, HERRMANN, Leonhard (Hgg.): Strukturalismus, heute. Abhandlungen zur Literaturwissenschaft. Stuttgart 2018, 169-87.
  • GENETTE, Gerard: „Structuralisme et critique littéraire“. In: DERS.: Figures I. Paris 1966.

4. Diskurs der poststrukturalistischen Dekonstruktion

Im poststrukturalistischen Diskurs der Dekonstruktion hat Jacques DERRIDA eine universalisierende Erweiterung des LÉVI-STRAUSS’schen Begriffs B. vorgenommen, die in der Auflösung der Begriffsopposition bricoleur/Ingenieur mündet. Die von ihm und anderen Poststrukturalisten grundsätzlich positiv bewertete, da antistrukturalistische B. (FRASER 2018, 172) charakterisiere nicht nur das mythische Denken: „Nennt man Bastelei die Notwendigkeit, seine Begriffe dem Text einer mehr oder weniger kohärenten und zerfallenen Überlieferung entlehnen zu müssen, dann muss man zugeben, daß jeder Diskurs Bastelei ist.“ (DERRIDA 1967/1972, 431). Der Ingenieur, der etwas aus dem Nichts erschaffe, existiere gar nicht; er sei ein „vom Bastler erzeugte Mythos“ (DERRIDA 1967/1972, 431). Auch das domestizierte, modern-wissenschaftliche Denken „vermag sich letztlich auch nur als ein bastelndes, wildes und improvisierendes Denken zu begründen und für ‚Einfälle‘ und ‚Erfindungen‘ offenzuhalten“. (BIES 2018 zu DERRIDA 1967/1972, 431–432). Ebenso kann man im Anschluss an Derrida feststellen, dass LÉVI-STRAUSS selbst bricoleur und auch die Dekonstruktion eine Art B. ist (BROOKER 2003, 22). Damit geht auf DERRIDA der Topos zurück, ganze Wissen(schafts)sbereiche als B. zu betrachten (vgl. z.B. GROSSBERG, NELSON & TREICHLER 1992, 2 zur „methodology of Cultural Studies“).

Quellen
  • BIES, Michael: 1962. „Claude Lévi-Strauss und das wilde Basteln“. In: ZANETTI, Sandro (Hg.): Improvisation und Invention. Momente, Modelle, Medien. Zürich 2018, 205-15.
  • BROOKER, Peter: „Bricolage“. In: DERS. (Hg.): A Glossary of Cultural Theory, 2. ed., Oxford 2003, 21-2.
  • DERRIDA, Jacques: „La structure, le signe et le jeu dans le discours des sciences humaines“. In: DERS.: L’ écriture et la différence. Paris 1967, 409–428. Zitiert nach: DERRIDA, Jacques: „Die Struktur, das Zeichen und das Spiel im Diskurs der Wissenschaften vom Menschen“. In: DERS.: Die Schrift und die Differenz. Frankfurt am Main 1972, 422-42.
  • FRASER, Jack: „Bricoleur, Ingenieur, Dekonstrukteur: Lévi-Strauss, Luhmann und die Zeiten des Strukturalismus“. In: ENDRES, Martin, HERRMANN, Leonhard (Hgg.): Strukturalismus, heute. Abhandlungen zur Literaturwissenschaft. Stuttgart 2018, 169-87.
  • GROSSBERG, Lawrence, NELSON, Cary & TREICHLER, Paula (Hgg.): Cultural Studies. London / New York 1992.

5. Diskurs zu den Künsten der Avantgarden des frühen 20. Jahrhunderts

Im Diskurs zu den Künsten der Avantgarden des frühen 20. Jahrhunderts wird B. synonym zu „Collage“ (zu frz. coller: kleben) und „Montage“ (zu frz. monter: aufbauen, montieren) verwendet, um den Stil der neuen Techniken künstlerischer Komposition der Moderne in der Photokunst, dem Film, dem Theater sowie der bildenden und performativen Kunst zu bezeichnen (VOIGTS-VIRCHOW 2013, 540; BROOKER 2003, 22). B. beschreibt also „ästhetische Verfahren und Werke, die aus urspr. separaten Teilen unterschiedlicher Herkunft etwas Neues zusammensetzen (…)“ und deren „Partikel unvermittelt zusammengefügt sind, heterogen bleiben und als erkennbare Bruchstücke inhomogen wirken“. Indem der Begriff „Arbeiten mit Fertigteilen oder objets trouvés“ bezeichnet (VOIGTS-VIRCHOW 2013, 540), steht er für avantgardistische Gegenentwürfe zum organischen Kunstwerk, die ihr „‘Gemacht-Sein‘ zur Schau [stellen]“ (FEUCHERT 2013, 93) und als „Paradigma der Moderne“ insgesamt gelten können. (Bürger, zitiert von VOIGTS-VIRCHOW 2013, 541).

Quellen
  • BROOKER, Peter: „Bricolage“. In: DERS. (Hg.): A Glossary of Cultural Theory, 2. ed., Oxford 2003, 21-2.
  • FEUCHERT, Sascha: „Bürger, Peter“. In: NÜNNING, A. (Hg.): Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Personen – Grundbegriffe. 5. Aufl. Stuttgart 2013, 93.
  • KACZMAREK, Ludger: „Bricolage“, Das Lexikon der Filmbegriffe, https://filmlexikon.uni-kiel.de/doku.php/b:bricolage-2148 (besucht am 15. Januar 2023).
  • VOIGTS-VIRCHOW, Eckart: „Montage/Collage“. In: NÜNNING, A. (Hg.): Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Personen – Grundbegriffe. 5. Aufl. Stuttgart 2013, 167f.

6. Diskurs der poststrukturalistischen Literatur- und Kulturtheorie

Im Diskurs der poststrukturalistischen Literatur- und Kulturtheorie „wird B. zu einer Form der Intertextualität“ (KUESTER 2013, 90, ohne Angabe von Quellen). Je nachdem, ob ein „deskriptiver“ Intertextualitätsbegriff angelegt wird, um die Anspielungen eines Textes auf einen anderen zu bezeichnen, oder ein ontologischer zur „Bezugnahme auf sämtliche Arten von bedeutungstragenden Äußerungen“ (ACZEL 2013, 349), wird B. entweder für Textformen, die ältere Texte rekontextualisieren, etwa die Parodie, oder in einem umfassenderen Sinn für Anspielungen und Zitate in postmodernen Kunstformen verwendet. In der postmodernen Theorie wiederum ist B. in dem ersten (deskriptiven) Sinn ebenso negativ konnotiert wie etwa der Terminus Pastiche (KUESTER 2013, 90, ohne Angabe von Quellen).

Quellen
  • ACZEL, Richard: „Intertextualität und Intertextualitätstheorien“. In: NÜNNING, A. (Hg.): Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Personen – Grundbegriffe. 5. Aufl. Stuttgart 2013, 349-51.
  • BROOKER, Peter: „Bricolage“. In: DERS. (Hg.): A Glossary of Cultural Theory, 2. ed., Oxford 2003, 21-2.
  • KACZMAREK, Ludger: „Bricolage“, Das Lexikon der Filmbegriffe, https://filmlexikon.uni-kiel.de/doku.php/b:bricolage-2148 (besucht am 15. Januar 2023).
  • KUESTER, Martin: „Bricolage/Bricoleur“. In: NÜNNING, A. (Hg.): Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Personen – Grundbegriffe. 5. Aufl. Stuttgart 2013, 89f.

7. Diskurs der Epistemologie

Der epistemologische Diskurs rekurriert auf den B.-Begriff LÉVI-STRAUSS‘, um „ein anderes Bild von der Wissenschaft, insbesondere von der Forschung [zu] entwerfen“: einer auf das Wilde, Konkrete statt auf das Abstrakte, Theoretische gerichteten Forschung, deren Akteur „kein – theoriegeleiteter – Ingenieur ist, sondern ein Bastler“, und deren Praktiken das „Ausprobieren“ und unplanmäßige „[F]inden“ sind (RHEINBERGER 2003, 36f.). Die Fokussierung auf das Konkrete begründet RHEINBERGER 2003, 37 mit der immer kleinteiligeren „Spezialisierung der modernen Wissenschaften“, die eine Erforschung ihrer Objekte anhand allgemeiner Prinzipien unmöglich macht. Lévi-Strauss‘ Theorie der B. biete einen „Anknüpfungspunkt“ für die Vorstellung der Wissenschaft als ‚wilden Denkens‘, da sie mythisches und wissenschaftliches Denken einander nicht entgegensetze, sondern ersteres ebenfalls als Erkenntnisform betrachte (RHEINBERGER 2003, 36 zu LÉVI-STRAUSS 1962, 21).

Quellen
  • LÉVI-STRAUSS, Claude: La pensée sauvage. Paris 1962.
  • RHEINBERGER, Hans-Jörg: „Das Wilde im Zentrum der Wissenschaft“. In: Gegenworte 12 (2003), 36-38.
  • RHEINBERGER, Hans-Jörg: An Epistemology of the Concrete. Twentieth-Century Histories of Life. Durham, NC 2010.

8. Diskursvorschlag der Clusterinitiative „Bricolage! Re-Use, Interpretation, Knowledge in Ancient Cultures”

Der von der Clusterinitiative „Bricolage! Re-Use, Interpretation, Knowledge in Ancient Cultures” vorgeschlagene Diskurs knüpft an den epistemologischen Diskurs an, indem er ebenfalls eine alternative Betrachtung von (antiker) Wissenschaft im Rückgriff aus LÉVI-STRAUSS‘ B. vorschlägt. Um zu untersuchen, wie antike Kulturen Wissen effektiv und kreativ verwenden und wiederverwenden, gehen UHLMANN/ASPER von folgender Hypothese aus: “re-use aways draws on prior interpretations which are the product of a broad spectrum of collective memories, historical horizons of experience, (often locally mediated) practical know-how, and bodies of knowledge handed down in writing” (4). Sie entnehmen dem LÉVI-STRAUSS’schen B.-Diskurs nur das Element der Wiederverwendung („re-use“) von bereits vorhandenen Dingen und Wissen sowieso das Moment der kreativen Improvisation, deren die Wiederverwendung bedarf. Jenseits von LÉVI-STRAUSS prägen sie B. neu als „analytisches tool“; in enger Verbindung mit dem historisch verwandten, aber nun in seiner sozialen Dimension verstandenen Terminus „Kreativität“ bezeichnet B. die auf Kommunikation und Interaktion basierende Praxis des „creative re-use“ (6). B. steht dabei terminologisch sowohl in einer Reihe mit Begriffen wie „improvisation, tinkering, crafting, and creativity“, als auch kann es als Oberbegriff dieser Praktiken des re-use herhalten. Als vier wesentliche Merkmale der B. können gelten: „Bricolage is (…) (1) not an individual, but a genuinely social practice. The bricoleur is always referred to his communities as collectives of use, in which certain practices of use are established and others are not realised. Bricolage is (2) creative as a problem-solving strategy of re-use from materials, things, spaces, knowledge, infrastructures, and institutions, and has a (3) historical depth due to the use-memory in these communities, whose historical view of themselves is (4) always linked to competitive and potentially conflicting use- and interpretation-practices.” (UHLMANN/ASPER, 6).

Quelle
  • UHLMANN, Gyburg / ASPER, Markus: Draft Proposal Cluster Initiative (ExStra II): „Bricolage! Re-Use, Interpretation, Knowledge in Ancient Cultures“

Zitiervorschlag

Anna-Maria Gasser, „Bricolage“, Version 1.0, Sonntag, 23. Juli 2023, ORGANON terminology toolbox, Berlin: eDoc-Server der Freien Universität Berlin.

  • ORGANON terminology toolbox (von gr. ὄργανον: Werkzeug) ist ein Instrument zur Orientierung in der Landschaft interdisziplinär relevanter Begriffe und Theorien. Mit wenigen Blicken finden Sie hier einen Überblick über relevante Diskurse, Grundlagentexte und weiterführende Links.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert